Abhängiger Arbeitsvertrag vs. freier Dienstvertrag

Ausgangspunkt der wechselseitigen Leistungserbringung zwischen einem Arbeitnehmer und (s)einem Arbeitgeber ist die zwischen diesen Parteien in rechtswirksamer Weise abgeschlossene (dauerschuldrechtliche) Vereinbarung, der sogenannte Arbeits-/Dienstvertrag.

 

Der abhängige Arbeitsvertrag:

Durch den Abschluss eines solchen Arbeitsvertrags zwischen dem Arbeitgeber und dem Arbeitnehmer wird das (abhängige) Arbeitsverhältnis begründet, in welchem sowohl die Hauptpflichten als auch Nebenpflichten im Detail geregelt werden. Das Wesensmerkmal des abhängigen Arbeitsverhältnisses bildet die Verpflichtung des Arbeitnehmers dem Arbeitgeber in persönlicher Abhängigkeit Leistungen zu erbringen bzw. fremdbestimmte Arbeit zu leisten.

Den Inhalt des Wesensmerkmales der persönlichen Abhängigkeit des Arbeitnehmers bildet der Umstand, dass die Arbeitsleistung des Arbeitnehmers im Organisationsgefüge des Arbeitgebers – in weisungsgebundener Art und Weise – erbracht wird und diesem (dem Arbeitgeber) auch zu Gute kommt, vgl. 4 Ob 102/83 sowie 9 ObA 139/14b. Die Kontrolle des Arbeitnehmers sowie eine disziplinäre Verantwortung bilden weitere Indizien der persönlichen Abhängigkeit, vgl. 4 Ob 117/78.

Die wirtschaftliche Abhängigkeit des Arbeitnehmers bildet ein weiteres Wesensmerkmal des abhängigen Arbeitsverhältnisses. Ein Indiz für wirtschaftliche Abhängigkeit stellt – nach einem Teil der Judikatur – die Lohnabhängigkeit dar, vgl. RIS-Justiz RS0050850. Ein anderer Teil der Rechtsprechung erblickt die wirtschaftliche Abhängigkeit im fehlenden Eigentum an Produktionsmitteln bzw. fehlende Verfügungsgewalt über solche Produktionsmittel,
vgl. VwGH-E vom 23.5.1985, 84/08/0070.

Letztlich ist das Wesen des (abhängigen) Arbeitsverhältnisses auch die persönliche Arbeitspflicht des Arbeitnehmers gekennzeichnet, vgl. 9 ObA 159/14v.

Die Bezeichnung des Dienstvertrages, Anmeldung zur Sozialversicherung und der Lohnsteuerabzug bilden hingegen keine entscheidenden Merkmale eines abhängigen Arbeitsverhältnisses.

Liegt eines der obgenannten (entscheidenden) Wesensmerkmale in eingeschränkter Form vor, vermag es das Vorliegen eines Arbeitsverhältnisses an sich nicht zu verhindern, dies zumal es nicht auf ein Vorliegen sämtlicher Wesensmerkmale in geschlossener Form ankommt. Stets ist eine Prüfung im Einzelfall notwendig bzw. entscheidend, nämlich im Konkreten ob im Zuge einer Gesamtbetrachtung das Überwiegen der wesentlichen Merkmale unter Berücksichtigung ihrer Intensität feststellbar ist, vgl. RS0021284.

 

Der (unabhängige) freie Dienstvertrag:

Wiewohl auch dem freien Dienstvertrag das Vorliegen eines Dauerschuldverhältnisses immanent ist, ist dieser Vertragstyp dadurch gekennzeichnet, dass die geschuldete Tätigkeit vom verpflichteten Arbeitnehmer nicht in persönlicher Abhängigkeit erbracht wird. Die besonderen Wesensmerkmale sind hier die Erbringung von Arbeitsleistungen in persönlicher Unabhängigkeit. Besondere Indizien für eine solche Unabhängigkeit stellen dar das generelle Vertretungsrecht sowie das Ablehnungsrecht des Arbeitnehmers.

Im Konkreten wurde in der Rechtsprechung bei folgenden Vertragsverhältnissen das Vorliegen eines freien Dienstvertrages festgestellt:

  • Bei der Bestellung eines Rechtsanwaltes zum Syndikus eines Unternehmens, vgl. OGH 1954/Arb 6087 sowie 9 ObA 165/87;
  • Beim Vertrag zwischen einem Unternehmer und einem nebenberuflich tätigen Betriebsarzt, vgl. OGH 1956/Arb 6487;
  • Bei der Vereinbarung zwischen einem Fleischbeschau-Tierarzt und einer Gemeinde, vgl. OGH 1981/Arb 10055, 4 Ob 45/81;
  • Bei einem Vertrag zwischen einem freien Journalisten und einer Zeitung, vgl. OGH 1978/Arb 9714;
  • Bei einem sog. Handelsvertreter, vgl. OGH 1981/Arb 10025; 1981/Arb 9945;
  • Beim Anstellungsvertrag von Vorstandsmitgliedern einer Aktiengesellschaft bzw. eines Geschäftsführers einer GmbH, vgl. OGH 1976/Arb 9538;

Des Weiteren bilden Leistungen, welche von Angehörigen der nachstehenden sog. freien Berufe erbracht werden, das Kernstück des freien Dienstvertrages:

  • Heilberufe;
  • Rechts- steuerberatende und Wirtschaftsberufe;
  • Architekten und Ingenieure;
  • Wissenschafts- und Bildungdsberufe;
  • Künstlerisch und publizistisch Schaffende.

Für die Beurteilung, ob ein freier Dienstvertrag vorliegt, ist jedoch stets die tatsächliche Ausgestaltung der gegenseitigen Rechtsbeziehung maßgeblich, vgl. RIS-Justiz RS0014509, RS0111914).

 

Grenzfälle:

Bei Vorliegen eines Grenzfalles ist es – wie bereits an anderer Stelle erwähnt – so, dass grundsätzlich im Zuge einer Prüfung im Einzelfall der Sachverhalt, so wie er im jeweils zu überprüfenden Arbeitsverhältnis „gelebt“ wird, zu eruieren ist und letztlich im Zweifel in der Regel zu Gunsten des abhängigen Arbeitsvertrages zu entscheiden ist.