Der Patientenentschädigungsfonds in Österreich – Eine Alternative zum Zivilprozess

Allgemeines

Immer wieder kommt es vor, dass medizinische Behandlungen in einem Krankenhaus Schäden am Patienten zur Folge haben. Schadenersatz- und Haftungsprozesse vor einem Zivilgericht im Zusammenhang mit medizinischen Behandlungen sind oft mit hohen Kosten verbunden und ein Obsiegen aufgrund schwieriger Beweisführung oder einer nicht eindeutig zu klärenden Verschuldensfrage birgt ein Kostenrisiko. Nicht immer handelt es sich um einen Behandlungsfehler oder um eine Verletzung der Aufklärungspflicht des Arztes, sondern oft auch um eine Komplikation einer lege artis durchgeführten Behandlung.

Aus diesem Grund wurden mit Wirksamkeit ab 01.01.2001 auf Landesebene die gesetzlichen Voraussetzungen zur Einrichtung von Patientenentschädigungsfonds geschaffen. Diese Fonds werden unter anderem durch einen Kostenbeitrag in Höhe von 0,73 Euro pro Kalendertag von stationär aufgenommenen Patienten in öffentlichen oder gemeinnützigen privaten Krankenanstalten finanziert und dienen dazu, Schäden, die durch die Behandlung in Krankenanstalten entstanden sind und bei denen eine Haftung des Rechtsträgers nicht eindeutig gegeben ist, abzugelten.

Nachfolgend sollen die allgemeinen Voraussetzungen für die Gewährung von Entschädigungsleistungen aus dem Patientenentschädigungsfonds dargestellt werden, doch es wird darauf hingewiesen, dass vor allem der Verfahrensablauf, die Entscheidungsträger, die Verfristungsbestimmungen sowie die Höhe der Entschädigungsleistungen von Bundesland zu Bundesland differieren. Aus diesem Grund ist eine Einzelfallprüfung, die auf die jeweilige landesgesetzliche Bestimmung des Patientenentschädigungsfonds abstellt, vorzunehmen.

 

Voraussetzungen

Folgende Voraussetzungen finden sich regelmäßig gleichlautend oder zumindest ähnlich in den jeweiligen landesgesetzlichen Bestimmungen betreffend den Patientenentschädigungsfonds:

  • Der Schaden muss durch eine medizinische Behandlung (Kausalität) in einer Krankenanstalt in jenem Bundesland entstanden sein, in dem die Entschädigungsleistung beantragt wird. Unter medizinischer Behandlung sind sowohl ambulante als auch stationäre Behandlungen und Untersuchungen sowie unterlassene Behandlungen in einem Krankenhaus gleichermaßen gemeint.
  • Die Haftung des Rechtsträgers ist nicht eindeutig gegeben. Eine Entschädigung käme folglich dann nicht in Betracht, wenn eine Haftung des Rechtsträgers eindeutig nicht oder eine Haftung des Rechtsträgers eindeutig gegeben ist. Dies erscheint letztlich auch konsequent, da der Patientenentschädigungsfonds für ebenjene Grenzfälle errichtet wurde, in denen die Haftung des Rechtsträgers fraglich ist. Ist eine Haftung eindeutig gegeben, so sind diese Ansprüche auf dem Zivilrechtsweg geltend zu machen. Wird eine Haftung des Rechtsträgers eindeutig verneint, so entbehren Leistungen aus dem Fonds jeglicher Grundlage, da dem Patienten grundsätzlich nicht das allgemeine Lebensrisiko abgenommen werden soll. Jedenfalls ist anerkannt, dass für den Anschein einer „nicht eindeutigen“ Haftung ein aufwändiges und langes gerichtliches Beweisverfahren notwendig wäre, was in Arzthaftungsfällen regelmäßig der Fall ist.
  • Entschädigungsleistungen werden auch dann gewährt, wenn die Haftung des Rechtsträgers zwar nicht gegeben ist, aber es sich um eine seltene, schwerwiegende Komplikation handelt, die zu einer erheblichen Schädigung geführt hat.
  • Es darf kein Zivilverfahren über denselben Schadensfall anhängig sein. Dies schließt nicht aus, dass ein Zivilverfahren bereits stattgefunden hat und rechtskräftig abgeschlossen wurde, jedoch muss im Urteil der Umstand zum Ausdruck kommen, dass die Haftung nicht eindeutig gegeben ist und aus diesem Grund die Klagsabweisung erfolgte. In einem solchen Fall kann ein vorab geführtes Zivilgericht entscheidende (negative) Folgen für Entschädigungsleistungen aus einem Patientenentschädigungsfonds haben, da es wesentlich darauf ankommt, wie die Klagsabweisung begründet wurde.
  • Regelmäßig hat eine „außergerichtliche“ (Vor-)Prüfung durch eine Schiedsstelle bzw. die Patientenanwaltschaft zu erfolgen (ausgenommen in Burgenland und in der Steiermark).
  • Für das Verfahren entstehen dem Ansuchenden keine Kosten. Die Kosten einer allfälligen rechtsanwaltlichen Vertretung hat der Antragsteller jedoch selbst zu tragen.
  • Die Entschädigung muss im Falle einer gerichtlichen oder außergerichtlichen Zahlung bezüglich desselben Schadenfalles grundsätzlich an den Patientenentschädigungsfonds zurückbezahlt werden.
  • Ein Rechtsanspruch auf eine finanzielle Entschädigung besteht nicht.
  • Bei der Bemessung der Entschädigung ist auf die Art und das Ausmaß des entstandenen Schadens und auf die finanziellen Mittel des Fonds Bedacht zu nehmen. Die Höhe orientiert sich an der gerichtlichen Rechtsprechung hinsichtlich der allgemeinen schadenersatzrechtlichen Grundsätze. Aufgrund einer mangelnden einheitlichen Regelung ist die Höhen der Entschädigungsleistung letztlich in jedem Bundesland unterschiedlich. So soll der gesamte Entschädigungsbetrag eine Höhe von 5.000 Euro (Vorarlberg), 22.000 Euro (Salzburg), 35.000 Euro (Kärnten) oder 70.000 Euro (Oberösterreich) nicht übersteigen. In besonderen Härtefällen kann ein Betrag in Höhe von 45.000 Euro (Vorarlberg) über 70.000 Euro (Kärnten, Salzburg) bis zu 100.000 Euro (Wien, Oberösterreich) gewährt werden.

 

Kritik

Es wird sich hier der allgemeinen politischen Kritik sowie der überwiegenden Meinung in der Literatur angeschlossen, wonach eine bundeseinheitliche Regelung notwendig wäre. Vor allem die, von Bundesland zu Bundesland teilweise grob auseinandergehende Höhe der Entschädigungsleistungen ist nicht zumutbar, zumal jeder Patienten unabhängig vom Behandlungsort denselben Kostenbeitrag in Höhe von 0,73 Euro in den Patientenentschädigungsfonds einzahlt. Dass letztlich die örtliche Gegebenheit einer medizinischen Behandlung über die Höhe der Entschädigungsleistung entscheidet, ist alleine schon aufgrund von grundrechtlichen Überlegungen nicht tragbar. Überdies wäre auch ein standardisiertes und in jedem Bundesland einheitliches Verfahren im Sinne der Patienten.

Wünschenswert wäre zudem eine Ausdehnung auch auf Schadensfälle aus dem niedergelassenen medizinischen Bereich. Somit sollen sich Entschädigungsleistungen aus dem Patientenentschädigungsfonds nicht nur ausschließlich auf den ambulanten und stationären Spitalsbetrieb beschränken.

Vor allem auf politischer Ebene wird eine volle und somit verschuldensunabhängige Schadensabgeltung aus dem Patientenentschädigungsfonds gefordert. Dies wäre jedenfalls im Sinne der Patienten, jedoch müsste der Fonds mit einer zumindest doppelt so hohen Summe wie bisher dotiert werden.

 

Nähere Informationen

Weitere Informationen zu den konkreten landesgesetzlichen Bestimmungen lassen sich auf den jeweiligen Websites der Bundesländer bzw Patientenanwaltschaften finden:

Burgenland
https://www.burgenland.at/buerger-service/landesombudsstelle/gesundheits-patientinnen-patienten-und-behindertenanwalt-schaft-burgenland/patientenentschaedigungsfonds/

Kärnten
http://www.patientenanwalt-kaernten.at/ihr-anliegen/haertefonds/

Niederösterreich
http://www.patientenanwalt.com/ihr-anliegen/noe-patienten-entschaedigungsfonds/

Oberösterreich
https://www.land-oberoesterreich.gv.at/183248.htm

Salzburg
https://www.salzburg.gv.at/themen/gesundheit/patientenvertretung/pateinetenentschaedigungsfonds

Steiermark
http://www.verwaltung.steiermark.at/cms/ziel/74834939/DE/

Tirol
https://www.tirol.gv.at/gesundheit-vorsorge/patientenvertretung/patientenentschaedigungsfonds/

Vorarlberg
http://www.patientenanwalt-vbg.at/wp-content/uploads/Richtlinien-Entsch%C3%A4digung-Juni-2015.pdf

Wien
https://www.wien.gv.at/gesundheit/einrichtungen/patientenanwaltschaft/pdf/patientenentschaedigungsfonds-richtlinien-bf.pdf